Bereits seit Monaten angekündigt, wird das TYPO3 Neos Handbuch nun doch nicht zeitnah (2015) erscheinen können. Persönlich finde ich dies extrem schade – denn einerseits habe ich bereits sehr viele Stunden, Tage, Wochen und Monate in dieses ambitionierte Projekt gesteckt und andererseits warten darauf bereits viele interessierte Leser und haben dies eventuell sogar schon beim Buchhändler ihres Vertrauens vorbestellt.
Aber was sind die Hintergründe für diese Entscheidung? Tatsächlich ist dies – wenn man alles Aspekte betrachten möchte – recht komplex. Daher hier eine Auflistung einiger (und sicherlich nicht aller) Aspekte. Jeder einzelne davon hätte sicherlich keine oder kaum Auswirkung auf das Buch-Projekt gehabt. In der Summe aber leider doch.
Der Split
Am 18.05.2015 hat die TYPO3 Association und das Neos Team bekannt gegeben, dass man fortan getrennte Wegen gehen möchte. Grundsätzlich möchte ich den Split hier an dieser Stelle unkommentiert lassen, aber er hat eine wichtige Auswirkung auf die Marke „Neos“ – denn der Zusatz „TYPO3“ fällt nun weg. Gerade dieser ist aber in der Szene eingeführt und bekannt und hätte dafür sorgen können, dass eine relevante Anzahl an Büchern verkauft hätte werden können.
Der Verlag – genauso wie ich – sind aber der Meinung, dass die Marke „Neos“ zur Zeit nicht genügend Relevanz hat, um mehr als vielleicht ein paar 100 Bücher zu verkaufen – bei dieser Größenordnung lohnt sich ein Engagement eines Verlags schlicht nicht.
Meine Hoffnung ist, dass die Relevanz für Neos in Zukunft steigen wird – letztlich leiste ich mit meinen Vorträgen, Schulungen, Präsentationen und Publikationen auch einen kleinen Beitrag dazu – dies wird aber bis mindestens 2016 (so die Meinung von Verlag und mir) dauern. Daher macht aus dieser Sicht ein Buchprojekt frühestens 2016 Sinn.
Der Brand
Während der Name früher mit „TYPO3 Neos“ gesetzt war, scheint mir nun etwas Unsicherheit in diesem Bereich vorzuherrschen. Ist „Neos CMS“ wirklich der finale Name der nächsten – sagen wir – 3-5 Jahre? Oder wird dort eventuell das „CMS“ getilgt, weil der Markt sich eher in Richtung CME (Customer Experience Management), COPE (CreateOncePublishAnywhere) oder ähnliches entwickeln wird? Oder wird gar der Zusatz rausgelassen und nur noch „neos“ verwendet, wie man bislang in der Diskussion um den Brand vermuten könnte?
Zudem muss dann noch ein entsprechends Logo gefunden werden. Momentan existiert lediglich ein Skribble als Übergangslösung. Will man aber auf das Projekt referenzieren (wie ich es beispielsweise in meinem Vortrag auf der International PHP Conference vor ein paar Wochen gemacht habe) bleibt einem nichts anderes übrig, als dieses zu verwenden (wohl wissend, dass es nicht final ist – es ist aber ohne Alternative bisher).
Während das Logo für eine Buchpublikation „lediglich“ für das Cover von Bedeutung ist, findet sich der Name aber auf jeder Seite im Buch. Daher müsste das Buch sowieso warten, bis dieser Prozess abgeschlossen ist, denn es erzeugt kein Vertrauen, wenn im Buch ständig von einem Produkt die Rede ist, dass nun anders heißt. Und da es für die Namensfindung keinerlei (kommunizierte) Timeline gibt, ist das erstmal auf „unbestimmte Zeit“. Ich persönlich denke/hoffe auf ein finales Statement von Neos-Team im August/September.
Der Namespace
Neos CMS verwendet im Quellcode an nahezu jeder Stelle (PHP-Klassen, TypoScript, FlowQuery, Yaml, …) sogenannte Namespaces. Dazu wird der Vendor-Namespace (zur Zeit noch „TYPO3“) und der Package-Namespace (z.B. „Neos“) zu „TYPO.Neos“ addiert. Hier würde es sich z.B. zu „Neos.CMS“ ändern oder eben zu einem anderen Namen. Dieser Code wird schließlich auch im Buch abgedruckt.
Im Zuge der Namensänderung muss dieser Namespace in jeder einzelnen Datei angepasst werden. Während es für den Entwickler sicherlich (oder sagen wir „hoffentlich“) Migrationstools geben wird, welche diese Änderung ohne Eingriff des Users automatisch vornehmen können, kann man von einem Leser natürlich nicht verlangen, dass er/sie im Kopf „alte“ mit „neuen“ Namespaces austauscht, während versucht wird eine komplett neue Technologie zu lernen (und niemanden neben sich sitzen hat, der solche Fehler schnell bemerkt).
Das Skript muss also in einem Zustand sein, dass eine Änderung im Release-Zyklus eines Buches (1-3 Jahre) nahezu ausgeschlossen ist – zumindest auf so breiter Front.
Auch hier ist es noch zu keiner Einigung gekommen und wird immer noch diskutiert.
Der Release
Auf der Inspiring Conference dieses Jahr (26.-28.03.) wurde der neue Release 2.0 ein paar Wochen später in Aussicht gestellt. An anderer Stelle hieß es dann „auf jeden Fall Q2/2015“. Erschienen ist die Version aber bis heute nicht (obwohl es natürlich langsam spannend wird, nachdem nun am 07.07. die 2.0 beta5 veröffentlicht wurde).
Grundsätzlich halte ich es überhaupt nicht für falsch, einen Release erst dann zu veröffentlichen, wenn er stabil und möglichst fehlerfrei ist. Andererseits fehlt bei solch einem Vorgehen („It’s done when it’s done“) die Planungssicherheit für Kunden und Agenturen – aber ganz besonders auch für Verlage.
Dies mag im Zeitschriften-Segment noch anders sein (hier kann auch ein Artikel zu einer Beta oder Alpha Version veröffentlich werden) – im Buch-Sektor wäre dies ein absolutes NoGo.
Da aber die Version 2.0 einen Major-Release darstellt, kann seriöserweise erst nach dem veröffentlichten Release mit dem Schreiben begonnen werden. Denn ansonsten läuft man Gefahr, Teile wieder umschreiben zu müssen. Ich persönlich hatte schon mehr als die Hälfte des Buches fertig geschrieben, dies hing aber damit zusammen, dass ich ursprünglich von der Version 1.3 ausgegangen war, die für letzten Dezember versprochen wurde. Dieser Tag wurde ja dann in Q1/2015 zu 2.0 geändert.
Man könnte nun argumentieren, dass man sich die Arbeit als Autor halt dann doppelt machen könnte (also bei einer Veröffentlichung der Version alle Seiten nochmals überarbeiten und mit den Changelogs vergleichen bzw. anpassen) – aber das ist am Ende ein Aufwandsproblem. Wenn man dazu noch weiß, dass ein Autor im Schnitt um die 1,00 EUR (je nach Verkaufspreis) pro verkauftes Buch bekommt und dann (zur Zeit) vielleicht gerade einmal 100-200 Leute das Buch kaufen werden, dann wird man möglichst wenig Zeit mit vermeidbarer Arbeit verbringen wollen.
Der Verlag
Ursprünglich sollte das Buch im O’Reilly Verlag erscheinen – aber O’Reilly Deutschland wurde bedauerlicherweise geschlossen und deren Verlagsgeschäft an den dpunkt.verlag übergeben (Pressemitteilung). Bei dieser Veränderung wäre das Buch-Projekt vom dpunkt.verlag aber durchaus weitergeführt worden (was nicht bei allen O’Reilly Projekten der Fall war) – der Verlag sieht aber von einer Veröffentlichung (unter Berücksichtigung der obigen Fakten) vor 2016 ab. Erst dann kann seriöserweise abgeschätzt werden, wie sich der Markt entwickelt hat und ob das Produkt dann zuverlässig, stabil genug und relevant für eine Publikation ist.
Was nun?
Um ehrlich zu sein – ich weiß es nicht. Ich bin nun erst mal „leer“, weil ich monatelang immer wieder in jeder freien Minute an diesem Projekt gearbeitet habe und nun sehe, dass die ganze Energie nicht zu einem fertigen und von vielen erwarteten Produkt geführt hat. Das macht einen erstmal ganz schön platt.
O’Reilly/dpunkt.verlag haben mir aber die Nutzungsrechte für das bisherige Manuskript zurückgegeben, sodass ich über eine eigene Veröffentlichung (also „Selbstverlag“) nachdenken kann. Tatsächlich wollte ich mich mit dieser Thematik erst zum Jahreswechsel 2015/2106 befassen, aber die Ereignisse haben sich hier überholt.
Bei einer eigenen Veröffentlichung kann ich mit dem Thema „Manuskript“ komplett anders umgehen – es gäbe beispielsweise die Möglichkeit, das Buch (elektronisch) auch schon vor der Namespace-Änderung zu veröffentlichen und dann eine entsprechende Aktualisierung an alle Käufer umsonst hinterherzuschicken, sobald diese vollzogen ist. Geht man dann noch auf POD (Print on Demand) könnte sich das Buch jeder ausgedruckt bestellen, der es als Papier-Buch besitzen möchte – aber ich habe hier kein Risiko was Druck und Lagerung bzw. Logistik betrifft.
Gebt mir also bitte etwas Zeit, die Fakten zu sortieren und mich mit dem Thema Selfpublishing auseinander zu setzen. Aus dem Gefühl heraus würde ich diesen Weg gerne gehen, sodass wir noch dieses Jahr ein Neos Buch haben sollten.
Ich glaube stark an das Produkt Neos und ich glaube auch daran, dass ein vernünftiges Einsteiger-Buch zu diesem Thema der Relevanz einen ordentlichen Schub geben würde – daher darf es eigentlich kein Weihnachten 2015 ohne Neos-Buch auf dem Gabentisch geben 😉
VG Patrick